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Benjamin Bergmann, … und irgendwann will ich es wissen, 2002
Benjamin Bergmann
Kunst
2002
Halle 14

Benjamin Bergmann | Künstler

Benjamin Bergmann |… und irgendwann will ich es wissen | 2002 | Holz, Fahrrad, Fangnetze, Kartons, Gummibänder, Leuchtstoffröhren | 600 × 800 × 1600 cm | Sammlung Stiftung Federkiel2002

2002 begann das Engagement der Stiftung Federkiel auf dem Gelände der Spinnerei. Aus Anlass eines Besuches des Freundeskreises des Busch-Reisinger Museums (Harvard) ermöglichte die Stiftung eine erste Ausstellungsinszenierung in der damals noch leeren Halle 14. In diesem Kontext wurde neben Arbeiten von Kaeseberg und Tilo Schulz auch die Installation »… und irgendwann will ich es wissen« von Benjamin Bergmann ermöglicht und für die Sammlung angekauft. Von 2002 bis 2015 wurde Bergmanns Arbeit zu einer ›Ikone‹ der HALLE14 und begleitete als unverrückbare Setzung die schrittweise und nachhaltige Konversion der Halle in ihre heutige Form eines Zentrums für zeitgenössische Kunst.

STEPHAN BERG

Auszug aus dem Text ›In Lauerstellung, Zu den Arbeiten von Benjamin Bergmann‹

… Einen frühen Höhepunkt innerhalb dieser skulptural-performativen Strategie der begrenzten Entgrenzung stellt die spektakuläre Arbeit „… und irgendwann will ich es wissen” […and some day I will try] aus dem Jahre 2002 dar, die Bergmanns Arbeit auf eine Schlag bekannt macht. Über eine Länge von dreizehn Metern errichtet der Künstler eine achter-bahnartige Konstruktion aus rohen Brettern, die von innerhalb der Bahn angebrachten Neonröhren beleuchtet wird, und sich aus sechs Meter Höhe in die Tiefe stürzt, um danach wieder in einer doppelten Drehung anzusteigen und unvermittelt im luftigen Nichts abzubrechen. Eine zusätzliche Dramatik erhält dieses an sich schon schweißtreibende Achterbahnfragment durch ein unbemanntes Fahrrad, das im oberen Bereich der steilen Rampe von mehreren Gummiseilen straff wie ein Pfeil in einer gespannten Armbrust gehalten wird. Die rohe, fast provisorische Machart der Groß-skulptur bei gleichzeitiger akribischer Befolgung aller notwendigen funktionalen Voraussetzungen, um diese auch tatsächlich in Betrieb zu nehmen, sorgt für eine absurde, fast surreale Ausstrahlung der Arbeit. Sie ist auf eine hinreißende Weise ihr eigenes Modell und zugleich unbestreitbare Realität. Und zugleich ist sie ein Versprechen, das die Probe aufs Exempel völlig in die Imagination des Betrachters verlegt, ohne die zukünftige, mögliche Realeinlösung der skulpturalen Versuchsanordnung gänzlich zu dementieren. Darauf verweist schon der Titel der Arbeit.

Der energetische Furor, mit dem sich das auktoriale Ich nach der Befreiung von seinen körperlichen Fesseln sehnt und der pubertär-trotzige Ton des Aufbegehrens, mit dem es seine Grenzenlosigkeit einfordert, werden durch das vage „irgendwann” gleich wieder rückgebunden in die Sphäre des rein Potenziellen. Entscheidend wird so die Spannung zwischen dem Noch-nicht und dem Nicht-mehr, das die Arbeit im Ganzen bewegt. Das Momentum des Physischen, das „… und irgendwann will ich es wissen” – fast ist man versucht zu sagen, mit jeder Faser ausstrahlt – ist das Wider-lager, aus dem sich die Arbeit aus sich selbst herauszukatapultieren sucht, und damit doch zugleich den Körper als Grenze akzeptiert. Es steckt etwas angenehm Altmodisches in dieser Konstruktion, die in Zeiten virtueller und digitaler Total-Entkörperung, die physische Begrenztheit ausgerechnet mit der Konzentration auf das Physische zu attackieren versucht und dabei doch immer so deutlich sichtbar an die Segnungen des haptisch und materiell Nachvollziehbaren glaubt. Die Bedeutung, welche der Künstler selbst dieser Arbeit zumisst, zeigt sich übrigens nicht zuletzt daran, dass er sie in verschiedenen Modifikationen, zum Beispiel als „Achteinhalb” [Eight and One Half] (2005) im Kunstmuseum Bonn oder – als größte Variante – als „Hals über Kopf” [Neck Above Head] im Rahmen der Ausstellung „Fraktale IV” im Palast der Republik im Jahre 2005, wieder hat aufleben lassen.

erschienen in:
›Benjamin Bergmann, 00–10‹. Hg. v. der Pinakothek der Moderne, München
Köln 2010, ISBN 978-3-8321-9288-4

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