In der ebenso schönen wie strengen, seriellen wie imperfekten Formensprache der Kunst von Haleh Redjaian verbinden sich west-östliche Traditionslinien von Orient und Okzident. Allein die Selbstverständlichkeit, mit der dies geschieht, macht ihre Haltung heute (leider) überaus relevant.
Haleh Redjaian | Künstlerin
Haleh Redjaian ist Zeichnerin. Sie zeichnet Linien auf Papier, spannt Linien auf meist weiße handgewebte Teppiche oder zieht Linien raumgreifend vor Wandflächen und durch Räume. Die entstehenden Ornamente, Raster, Muster und Ordnungen, die scheinbar fehlerfreien Systeme suggerieren eine rationale Fassbarkeit der Welt. Doch die endlosen seriellen Wiederholungen sind ersichtlich von Hand erstellt. Redjaian lässt Unsauberkeiten zu.
Auf diese Weise unterlaufen ihre Arbeiten jede rationale Erklärbarkeit, öffnen sich vielmehr poetisch ins Unvollkommene. Ordnung und spielerische Freiheit, Form- und Spieltrieb verdichten sich zu einer spezifischen Lebendigkeit. Die Betrachter brauchen Zeit, um sich in eine vermeintliche Regelhaftigkeit einzusehen und diese dann zugunsten eines sich befreienden Blicks wieder zu verlieren.
Redjaians Werk ist voller Referenzen an weiblich konnotierte Techniken wie Weben, Sticken oder Tagebuch schreiben. Ebenso offensichtlich sind die Referenzen in die Kunstgeschichte, sowohl in die orientalische Ornamentik wie in die westliche Moderne, zum Beispiel zum universellen Ansatz der Bauhaus Ikone Annie Albers oder zur ästhetischen Reduktion von Agnes Martin.
Haleh Redjaian wurde 1971 in Frankfurt am Main geboren. Sie studierte zunächst Kunstgeschichte und später freie Grafik und Bildhauerkunst in Frankfurt und Antwerpen. Einzelausstellungen waren in Gent, Antwerpen, Berlin, Dubai und zuletzt im Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt und eben im Magazin 4 in Bregenz zu sehen. Die Künstlerin lebt heute in Berlin.
Die Ausstellung bei Federkiel zeigt eine bewusst reduzierte Auswahl an Arbeiten aus den letzten drei Jahren und ist eine Kooperation mit dem Magazin4 – Bregenzer Kunstverein.
Termine:
talk&show 004 (Eröffnung): Dienstag, 29. November 2016, 19h
Haleh Redjaian im Gespräch mit Jörg van den Berg
talk&show 005: Dienstag, 31. Januar 2017, 19h
Ein unordentliches Gespräch zwischen Christian Jacobs (j&p GmbH / Earnest&Algernon) und Jörg van den Berg
Gast: Christian Jacobs | Psychologe, Ethnologe, Pädagoge
Im Rahmen der Ausstellung führten der Psychologe, Ethnologe und Pädagoge Christian Jacobs und der Kunstwissenschaftler und Ausstellungsmacher Jörg van den Berg ein unordentliches Gespräch zu Fragen von Ordnung und Unordnung, Struktur und Freiheit, Präzision und Poesie, zum Fehler-Machen und Fehler-Zulassen, zu Wiederholung und Unterscheidung – ein Gespräch also zu Grundlagen unseres alltäglichen Handelns, zur Organisation unseres Selbst, unseres Miteinanders, unseres Miteinander-Arbeitens und -lebens.
Christian Jacobs zählt laut der Neuen Züricher Zeitung zu den innovativsten Köpfen Europas und ist – gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth Jacobs-Jahrreiß – Gründer der ›J&P GmbH‹, einer HR- und Organisationsberatung mit Hauptsitz in München und Standorten in Münster und Venedig. ›J&P‹ widmet sich der Weiterentwicklung von Unternehmen und Menschen. Daneben bringt Jacobs seit 2012 das cultural companion ›Earnest & Algernon‹ heraus, das sich als Impulsgeber für Führungsverantwortliche dieser und der nächsten Generation versteht. Vor allem aber begleitet er Führungsverantwortliche in Kultur, Politik und Wirtschaft hin zu einer erfolgreichen Unternehmensführung und einer gemeinwohlorientierten Gesellschaft.
talk&show 006: Dienstag, 28. Februar 2017, 19h
Lesungen von Barbara Köhler & Gespräche zwischen Barbara Köhler und Jörg van den Berg
Gäste: Barbara Köhler | Dichterin
Im Rahmen er Ausstellung liest am Faschingsdienstag, 28. Februar, die Dichterin Barbara Köhler nur drei – mehr oder weniger gedichtkurze – Texte. Die gelesenen Texte und ihre Wiederholungen werden verbunden, aufgetrennt oder weitergesponnen in einem Gespräch zwischen Barbara Köhler und Jörg van den Berg.
Bekannt geworden ist Köhler mit ihren Blockgedichten, die die exakt gleiche Anzahl an Anschlägen in jeder Zeile haben: Eine Freiheit mehr als nur einschränkende (und noch dazu selbstauferlegte) Ordnungsstruktur? Offensichtich nicht, denn in „Barbara Köhlers flächigem Text verknüpfen sich die Worte, unterbrochen von leeren Räumen, wie die Fäden einer Plauener Spitze. Der Aufbau des Fließtextes vermittelt einen Eindruck von der Komplexität textiler Bindungen, die hier ohne barocke Ornamentik auskommen.“ (Lutz Heese)
Man findet dieses Verfahren auch in den Gedichten ihres aktuellen Buches ›Istanbul, zusehends‹, für das sie im vergangenen Jahr mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde. Hier gepaart mit selbstgemachten ‚Lichtbildern’, die gleichwertig neben die Gedichte treten. In den Gedichten wie den Lichtbildern geht es vielfach um das Sehen, um Blicke und Anblicke in und auf eine übervolle Stadt. Die Gespräche zwischen der Dichterin Barbara Köhler und dem Kunstwissenschaftler Jörg van den Berg werden den Bezüglichkeiten zwischen Sprache und Bild nachspüren. Welche konvergenten bis widersprüchlichen Verhältnisse zwischen Bild und Wort öffnen spezifische Erkenntnischancen?
Die Jury des Alice Salomon Poetik Preises, den Barbara Köhler erst vor wenigen Wochen in Berlin bekommen hat, würdigte Köhler als „Sprachkünstlerin“, die „mit empathischer Neugier, tief lotender Sprachlust, in Bildern, die eine Unschuld des Blickes hinterfragen (…) eine Kunst schafft, die sich konsequent unserer Zeit stellt. (…) Sie verfasst Sprachlandschaften und erkundet in ihnen die menschliche Existenz. Ihre Texte sind hochmusikalische Partituren. Ihre Bilder sind so genau wir ihr Blick. (…) Bei ihr wird Polizistanbul zu Resistanbul und schließlich zu Artistanbul – eine Beschwörung der Kunstfreiheit jenseits jeglicher politischer, sozialer oder ästhetischer Doktrin.“